Jahrtausende lang, bis zur Industrialisierung vor 200
Jahren, lebten außerhalb der Städte bis über
90% der Menschen von der Landwirtschaft. Ihr Wohl und
Wehe, das tägliche Brot, hing hauptsächlich
am Erfolg von Saat und Ernte. Regionale Mißernten
durch Frost, Nässe oder Dürre konnten erst nach
dem Aufbau des Eisenbahnnetzes behoben werden. Die Menschen
waren also weitaus mehr als wir heute vom Wetter abhängig.
So ist es verständlich, daß man Gesetzmäßigkeiten
im Wetterablauf zu finden suchte, und im Lauf der Jahrhunderte
entstand eine Unzahl von Wetter- "Regeln". Heute
wissen wir dank der Chaosforschung, daß es solche
Gesetzmäßigkeiten für eine längerfristige
Wetterprognose leider nicht gibt.
Die Fülle der Bauernregeln
kann man in drei Kategorien unterteilen:
(1) Die diagnostischen Regeln, die den Ist-Zustand konstatieren,
z.B.:
Regen im Mai, ruft der Bauer juchhei.
Trockner Mai , Wehgeschrei!
Richtig. In der Wachstumsphase brauchen die Pflanzen viel
Wasser.
Im Sommer muß braten, was im Herbst
soll geraten!
Richtig. In der Reifezeit verlangt gute Qualität Wärme,
vor allem bei Obst und Wein.
Die Regeln dieser Art sind in generationenlanger bäuerlicher
Erfahrung entstanden und durchwegs zutreffend.
(2) Die Regeln für die lokale, kurzfristige Wetterprognose,
z.B.:
Steigt der Nebel in die Höh, gutes
Wetter sagt adieu!
Richtig. Aufsteigende Luftbewegung führt zu Abkühlung,
der Wasserdampf kondensiert zu Wolken, und es kann Niederschlag
geben.
Umgibt ein Hof Sonn oder Mond, man nicht
von Schlechtwetter bleibt verschont!
Richtig. Der Hof wird von Cirrus-Wolken verursacht, Eiswolken
in großer Höhe, und die sind häufig die
ersten Vorboten einer nahenden Wetterverschlechterung.
Auch die Regeln dieser Art sind das Ergebnis langjähriger
Naturbeobachtung und stimmen zumeist, wenn auch nicht immer.
(3) Die Regeln für die Langfrist-Prognose, z.B.:
Wie das Wetter am Himmelfahrtstag, so
der ganze Herbst sein mag!
Macht der August uns heiß, bringt der Winter viel
Eis!
Linder Winter bringet fein, ein gutes Jahr für unsern
Wein!
Diese Art von Wetterprognose ist schlicht Unsinn und Aberglaube.
Ein Feiertag im Frühling, noch dazu ein beweglicher,
gibt uns unmöglich Auskunft über den Wetterablauf
einer ganzen Jahreszeit Monate später.
Ein Zusammenhang zwischen Sommerhitze und Winterkälte
ist nicht vorhanden, und wie der Wein gerät, hängt
von der Witterung in den Sommer- und Herbstmonaten ab.
Es gibt genug Wetter-Stationen, die auf 100 Jahre und mehr
Beobachtung zurückgreifen können. Mit dem Computer
ist es ein leichtes, solche vermeintlichen Zusammenhänge
zu überprüfen, und das ist geschehen. Wir Meteorologen
wären froh, wenn Langfristprognose so einfach wäre.
"Regeln", die nur gelegentlich, vielleicht sogar
in der Hälfte der Fälle stimmen, sind von wissenschaftlicher
Seite her nicht akzeptabel; anstelle dieser Wetterregeln
könnte man genauso gut eine Münze werfen.
Autor: Ruprecht Perels